Rothengau 9 – Das Winterfest

Schnee, überall war Schnee. Am Boden lag schon eine dicke Schicht, die Bäume waren voll davon und im Himmel gab es so viel davon, dass die Wolken ihn großzügig von sich schüttelten. Kathi öffnete die Fenster und stieß die Fensterläden auf. Ihr blick klebte hoffnungsvoll an dem Pfad, der aus dem Tal an der Taverne vorbei in Richtung Dorf führte. Hagen war nicht zu sehen. Während Kathi ihren Gedanken nachhing setzten sich dicke Schneeflocken in ihrem Haar und auf ihrer Kleidung fest. Eisig fegte die Luft durch die Taverne und Narie sah grimmig zu ihrer Freundin, wischte die Tische und keifte schließlich: „Um Himmels Willen, Kathi! Mach das verdammte Fenster zu, bevor wir nachher alle erfroren sind, noch bevor der erste Gast auftaucht!“ Kathi zuckte erschrocken zusammen und schüttelte schnell den Schnee ab, bemerkte jetzt erst, dass sie zitterte. Sie seufzte schwer, als läge die ganze Last der Welt in diesem Atemzug. „Ach… Entschuldige, Narie… Ich hatte gehofft, dass er doch noch heute zurückkommt.“ Sie fummelte ihre Halskette hervor und ließ die Perlen zwischen den Fingern hindurch wandern. „Ich mach‘ mir so Sorgen um ihn! Alles, was er mir zurückgelassen hat, ist dann diese Kette!“ Narie verdrehte die Augen, so dass Kathi es nicht sehen konnte und grinste dann: „Sei froh, dass es nur ‚ne Kette und kein Kind ist.“ Kathi errötete und sah scheu zur Seite. „Aha, willst du mir was erzählen?“ fragte Narie weiter und legte ihren Arm locker um Kathi, um sie zum Feuer zu führen. „Nein!“, rief Kathi aus, „Wir sind doch noch nicht einmal richtig verlobt, was denkst du von mir?!“ Kathi seufzte wieder und drückte sich plötzlich an Narie, umarmte sie viel zu fest und murmelte: „Ach, er fehlt mir einfach so sehr!“ Narie schürzte die Lippen, sie konnte dem Herzschmerz ihrer Freundin nicht viel abgewinnen und brummelte: „Ja… aber das ist trotzdem kein Grund, mich zu ersticken, Kathi…“ Sich freikämpfend meinte sie weicher, Kathi den Kopf tätschelnd: „Außerdem kommt der schon wieder… Unkraut vergeht nicht.“
Ein Ruck, ein Poltern und die Tavernentür fiel schwer wieder ins Schloss. Wigboldt stapfte mit schweren Schritten in den Schankraum, die Ratte „Rudel“ auf der Schulter. „Was für’n Wetter da drauß’n, he“, brummte er und verzog sich hinter den Tresen. Er begann, die Becher und Getränke für den Abend vorzubereiten und fand dabei zu seiner üblichen Befehlsstimme zurück: „Wassen das für en Faulgelenze hier? Machta ma den Tisch von den Herrn Baron fertig, de gude Herr kommat mit’n Gefolsche schon wieda. Da müssta denne Tisch en’sprechend vorbereidet han!“
Noch kurz drückte Narie Kathis Schulter und lächelte sie an, dann machten die beiden Frauen sich daran, die Taverne für den Abend herzurichten.
Der erste Gast war dann, wie so oft, der Bäcker Reimar, der die Brote für das Buffet lieferte und daraufhin gleich im Schankraum blieb. Nach und nach gesellten sich die Stammgäste, aber auch neue Gesichter dazu und es wurde gegessen, getrunken und gesungen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem plötzlich Dinge von einem Tisch verschwanden und auf einem anderen Tisch auftauchten. Sogar die Figur des Heiligen Cayden verschwand von ihrem Stammplatz auf der Theke und erschien auf dem Tisch des Herrn Baron. Wigboldt stellte sie unter fluchen und zetern wieder auf ihren Platz und behielt sie den ganzen Abend über genaustens im Auge. Seine Bemühungen hatten zwar Erfolg und Caydens Abbild bewegte sich kein Stück mehr von seinem Platz, doch kam es dazu, dass Helme, Flaschen oder Kerzenständer mitsamt ihren Kerzen an einem Ort verschwanden, nur um anderswo wieder aufzutauchen.
Niemand hatte so recht eine Ahnung, was da vor sich ging. Plötzlich schlugen mit lautem Knallen alle Fensterläden zu und Ingela sprang entsetzt auf und rief: „Die Orks! Die Orks kommen!“ Die Mitglieder der Miliz waren natürlich die Ersten, die aufsprangen, gefolgt von den tapferen Recken, die zu den Gästen der Taverne gehörten.
Kathi griff wieder an die Kette, die Hagen ihr geschenkt hatte und schrie fast panisch: „Nein! Nein, die können nicht hier sein! Mein Liebster Hagen hält sie am Fluss mit den anderen tapferen Leuten auf! Die _können_ nicht hier sein!“
Narie legte beiläufig ihren Arm auf Kathis Schulter und murmelte: „Ja, der wird schon in Ordnung sein, aber sag mal… Ich habe irgendwas vergessen… was war das noch, es war so wichtig!“ Reimar kratzte sich an der Stirn und meinte: „Ich habe keine Ahnung, was das sein könnte… Aber mir ist auch, als wäre da irgendetwas gewesen…“
Nach einigem Treiben draußen betrat dann Sir Fis als erster wieder die Taverne. Er gab an, das sie draußen Stimmen gehört hätten, die sich als Wichtel ausgegeben hätte und darauf verweisen wollten, dass man etwas sehr Wichtiges vergessen hätte. „Stimmt! Der Feiertag! rief Reimar aus. „Ihr müsst die Süßigkeiten für die Wichtel raustellen! Heute ist deren Feiertag!“ „Stimmt!“ rief Narie aus und machte sich sofort daran die fehlenden Süßigkeiten an die Wichtel zu verteilen und entsprechend zu platzieren. Nach diesen Vorkommnissen konnte man sich dann aber auch wieder dem Winterfest zuwenden und es wurde noch auch unter der Begleitung vom Gesang einiger anwesender Barden noch gesungen und gefeiert bis in die frühen Morgenstunden.

 

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Wir bedanken uns bei all unseren Gästen für den schönen Abend und hoffen, dass wir euch auch beim nächsten Mal wieder in der Taverne “Zum torkelnden Bauern“ begrüßen dürfen!